Für Skitourenplanung essentiell, liefert die folgende Lawinen- und Schneekunde wichtige Bausteine zum Erkennen von Gefahren.

Schneekunde

Verdunstung: Übergang von der flüssigen zur gasförmigen Phase, ohne dass der Siedepunkt erreicht wird.

Kondensation: Übergang vom dampfförmigen in den flüssigen Zustand.

Gefrieren: Wasser in der flüssigen Phase wird zu Eis.

Schmelzen: Der feste Zustand verflüssigt sich, das heißt Eis wird zu Wasser.

Sublimation: Direkter Übergang vom gasförmigen in den festen Zustand. Kondensation: Direkter Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand

(Pfingstner, Apflauer, Thurner & Mayerhofer, 2007, S. 9; Hirnböck, 2008, S. 8; Roggenhofer et al. S. 229; Durner, 2005, S. 8.)

Entstehung von Schneekristallen

  • Durch Sublimation:
  • Schnee entsteht, wenn Wasserdampf an Partikel sublimiert. Daher sind folgende Grundvoraussetzungen notwendig, damit Schnee entsteht:
  • Temperaturen unter 0° C.
  • Hohe Luftfeuchtigkeit (Wasserdampf)
  • Eisbildungspartikel (an diesen gefriert der Wasserdampf)
  • Die Grundform des Kristallsystems ist immer Hexagonal (sechswinklig).
  • Durch Anfrieren:
  • Wenn unterkühlte Wassertröpfchen an Eiskristallen anstoßen, frieren sie sofort an ihnen fest.
    (Pfingstner et al., 2007, S. 9; Durner, 2005, S. 6).

Oberflächenreif

Oberflächenreif entsteht, wenn Wasserdampf an der Schneeoberfläche sublimiert. Bedingung für den Sublimierungsvorgang ist, dass der Taupunkt unterschritten wird, was vor allem in klaren kalten Nächten der Fall ist. Oberflächenreif ist eine Schicht aus feinen, blättrigen, zerbrechlichen Schneekristallen. An der Oberfläsche ist er leicht erkennbar (siehe Bild neben dem Text).

    ! Achtung !
  • Ist der Oberflächenreif eingeschneit, stellt er eine sehr dünne, aber gefährliche Gleitschicht dar, da die zerbrechlichen Plättchen wie ein Kugellager fungieren.
  • Diese Gleitschicht kann sehr lange erhalten bleiben, da sie sich erst mit einer Durchfeuchtung auflöst.
  • Eingeschneiter Oberflächenreif ist im Schneeprofil kaum sichtbar, man kann nur durch Schneedeckentests (Schaufelschertest, Kompressionstest, Rutschblocktest, etc.) darauf schließen.
  • (Pfingstner et al., 2007, S. 9; Durner, 2005, S. 15; Mair & Nairz, 2010, S. 45; Munter, 2003, S. 56.)

Metamorphosen (Umwandlungen) von Schnee

Schnee bleibt niemals in seiner ursprünglichen Form (hexagonal) erhalten, sondern ist ständigen Veränderungen unterworfen, die durch thermodynamische und mechanische Vorgänge angetrieben werden.


Dabei verändert sich der Schnee in folgenden Variablen:

  • Dichte
  • Struktur
  • Verformbarkeit
  • Porenanteil
  • Festigkeit
  • Spannung
  • Bruchbereitschaft

Grundsätzlich unterscheidet man vier verschiedene Umwandlungsvorgänge. Die abbauende, aufbauende und Schmelzumwandlung resultieren aus thermodynamischen Kräften und die mechanische Umwandlung aus mechanischen Kräften, die durch den Wind verursacht werden.
Die Abbildung Metamorphose von Schnee zeigt die thermodynamischen Umwandlungsvorgänge. Wichtig ist vor allem zu wissen, dass die Umwandlungsprozesse meist nicht reversibel sind (siehe Richtungspfeile). Beispielsweise kann Neuschnee, wenn er einmal umgewandelt worden ist, nicht mehr zu Neuschnee werden. Becherkristalle können nicht mehr zum Punktkorn (in der Abb. rundkörniger Schnee genannt) abgebaut werden, sondern nur durch die Schmelzumwandlung zu Schmelzformen umgewandelt werden. Genauso kann aus Schmelzformen kein Punktkorn mehr werden.
(Pfingstner et al., 2007, S. 10; Durner, 2005, S. 9.)

Abbauende Umwandlung

Bei der abbauenden Umwandlung wandern die Spitzen der Schneekristalle Richtung Kern. Aus den fein verästelten Neuschneekristallen wird zuerst die filzige Form und als Endprodukt das Punktkorn (in der Abbildung „Metamorphose von Schnee“ rundkörniger Schnee genannt) als kleine, runde Altschneekristalle. Dies wird vom Bestreben der Eiskristalle, eine möglichst kleine Oberfläche einzunehmen angetrieben. Der Porenraum zwischen den einzelnen Kristallen wird kleiner und das Volumen des Schnees wird schließlich geringer.

  • Mit der abbauenden Umwandlung setzt die Setzung der Schneedecke ein. Sie stabilisiert und festigt sich und wird dichter.
  • Das Temperaturfenster für die abbauende Umwandlung ist zwischen 0°C und -8°C.
  • Die Abbauende Umwandlung läuft umso schneller ab, je näher die Temperatur bei 0°C liegt.
  • Druck innerhalb der Schneedecke (z.B. durch das Gewicht des Neuschnees) beschleunigt die abbauende Umwandlung.
  • Bei tiefen Temperaturen läuft die abbauende Umwandlung wesentlich langsamer ab, wodurch sich die Schneedecke langsamer festigt und die Lawinengefahr länger aufrechterhalten bleibt.

  • ! Achtung !
    Das Punktkorn kann in Kantige Formen bzw. Becherkristalle oder Schmelzformen umgewandelt werden. In der filzigen Phase der Umwandlung wird die Schneedecke sehr labil. Diese Phase tritt zu Beginn der abbauenden Umwandlung, also während oder kurz nach dem Schneefall ein und dauert temperaturabhängig meist zwischen wenigen Stunden und zwei Tagen.
(Pfingstner et al., 2007, S. 11; Roggenhofer, 2008, S. 231; Hirnböck, 2008, S. 12; Durner, 2005, S. 10; Wallner, 2008, S. 186.)


Aufbauende Umwandlung

Damit sich eine aufbauende Umwandlung in Gang setzt, ist ein Temperaturgradient (= Temperaturunterschied) im Schnee notwendig. Dabei sind die bodennahen Schichten wärmer (der Boden strahlt Wärme ab), als die oberflächennahen Schichten. Durch den Temperaturgradienten entsteht auch ein Dampfdruckgradient, was bedeutet, dass die Wassermoleküle an der Oberseite eines (wärmeren) Schneekorns verdampfen und an der Unterseite des nächstoberen (kälteren) Schneekorns sublimieren (anfrieren). Dadurch entstehen zuerst kantige Formen und als Endstadium (glasige) Becherkristalle, welche auch Schwimmschnee genannt werden.

  • Damit die aufbauende Umwandlung einsetzt ist ein Temperaturgradient von mind. 0,1°C/cm erforderlich.
  • Je größer der Temperaturgradient ist, desto schneller läuft die aufbauende Umwandlung ab (deutliche aufbauende Umwandlung erst ab 0,25°C/cm).
  • Kantige Formen und Becherkristalle können nur in Schmelzformen umgewandelt werden, aber nicht mehr zu Punktkörner abgebaut werden.
    ! Achtung !
  • Kantige Formen und Becherkristalle fungieren wie ein Kugellager, auf welchem die oberen Schichten leicht abrutschen. Die Schneedecke wird instabiler und die Lawinengefahr steigt!
  • Bei tiefen Temperaturen und geringen Schneehöhen ist der Temperaturgradient größer.
  • Hohlräume (z.B. durch Sträucher, Latschen) fungieren als Wärmespeicher und fördern somit die aufbauende Umwandlung.
  • Zwischenschichten können wärmeisolierend wirken, wodurch der Temperaturgradient in diesen Schichten größer ist.
  • Warm eingeschneite Schichten oder warm eingeschneiter Boden können in Verbindung mit Abkühlung zur Schwimmschneebildung beitragen.
  • Schwimmschnee kann nur durch die Schmelzumwandlung (Tauwetter mit Durchfeuchtung der Schneedecke) umgewandelt und somit entschärft werden. Somit können Schwimmschnee-Schichten den ganzen Winter über erhalten bleiben.
  • (Pfingstner et al., 2007, S. 11; Hirnböck, 2008, S. 13; Durner, 2005, S. 11; Mair & Nairz, 2010, S. 36; Wallner, 2008, S. 186.)

Schmelzumwandlung

Die Schmelzumwandlung liegt dann vor, wenn der Schnee aufgrund der Wettersituation (Tauwetter) 0°C bekommt. Die Ecken und Kanten der Schneekörner schmelzen ab, füllen Hohlformen aus und das geschmolzene Wasser überzieht die Körner mit einem Wasserfilm. Die Dichte des Schnees steigt, die Schneedecke setzt sich deutlich.
Starke Durchfeuchtung der Schneedecke führt zu einer instabilen Schneedecke, da das abfließende Wasser Strömungskanäle verursacht. Kommt das abfließende Wasser auf eine wasserundurchlässige Schicht oder auf den Boden, kann dort ein Schmelzwasserstau entstehen. Die Schneedecke rutscht dann auf diesem Schmelzwasser, das wie eine Schmierschicht wirkt, ab. Solch eine Lawine nennt man Nassschneelawine.

  • Die Schmelzumwandlung setzt, unabhängig von der Schneeart, immer ein, wenn der Schnee 0°C erreicht.
  • Wärmezufuhr durch Sonneneinstrahlung oder Föhnwetter beschleunigt die Schmelzumwandlung.
  • Feuchtigkeitszufuhr (Regen, Nassschnee) beschleunigt die Schmelzumwandlung.
  • Firn entsteht, ein der Vorgang des Schmelzens und Frierens länger als ein Jahr andauert und Gletschereis, wenn dieser Vorgang mehrere Jahre andauert.
  • Gefriert der durchfeuchtete Schnee in der Nacht wieder, so bildet sich ein Schmelzharschdeckel. Wenn dieser dick genug ist, wird die Schneedecke dadurch stabilisiert.
  • Durch die Schmelzumwandlung entstehen runde Formen. Die Körner sind glasig und meist durchscheinend.
  • Ist der Schnee lange feucht, ohne zu gefrieren, spricht man vom Faulschnee. Diesen findet man im Frühjahr meist unter einem Schmelzharschdeckel.
    ! Achtung !
  • Eine durchfeuchtete Schneedecke ist instabil und daher steigt die Lawinengefahr.
  • Taut der Schmelzharschdeckel (meist tagsüber) auf, so ist die Schneedecke instabil. Daher muss eine Tour bei Frühjahrswetter sorgfältig geplant werden, damit die sie wieder beendet ist, bevor der Schmelzharschdeckel auftaut.
  • (Pfingstner et al., 2007, S. 11; Hirnböck, 2008, S. 15; Durner, 2005, S. 12; Mair & Nairz, 2010, S. 56; Wallner, 2008, S. 186f.).

Mechanische Umwandlung

Bei der mechanischen Umwandlung wird der Schnee durch den Wind mechanisch umgewandelt. Er wird verfrachtet und dabei werden die Schneekristalle zerstört und landen als Trümmer, welche unplastisch und spröde sind, am Boden.

  • Der vom Wind verfrachtete Schnee wird Triebschnee bezeichnet.
  • Da der Triebschnee in sich gebunden ist, werden Spannungen in der Schneedecke großflächig übertragen.

    ! Achtung !
  • Triebschnee kann nur geringen Belastungen standhalten.
  • Triebschnee ist in sich gebunden, verbindet sich aber schlecht mit der Altschneedecke. Daher hat Triebschnee die besten Voraussetzungen, eine Schneebrettlawine zu werden.
  • Ein Schneebrett kann bei tiefen Temperaturen lange erhalten bleiben. Entschärft wird es durch die abbauende Umwandlung und die Schmelzumwandlung mit nachherigem Frieren.
  • Der Wind wird auch Baumeister der Lawinen bezeichnet. Daher ist es für die Lawinengefahr entscheidend, ob bei Schneefall starker Wind geweht hat. Aber auch der schon am Boden liegende Schnee kann durch den Wind noch verfrachtet werden.
  • (Pfingstner et al., 2007, S. 11; Hirnböck, 2008, S. 14; Durner, 2005, S. 12; Mair & Nairz, 2010, S. 67; Munter, 2003, S. 76; Wallner, 2008, S. 189.)


Windverfrachtung

Prinzipiell kann sich Triebschnee in allen Expositionen ablagern. Die Ablagerung ist aber von der Windrichtung abhängig (Pfingstner et al., 2007, S. 11; Durner, 2005, S. 13). Folgende Zeichnung soll dies verdeutlichen:

Der Schnee wird von der windzugewandten Seite (=Luv) abgetragen und auf die windabgewante Seite (=Lee) hin verfrachtet. Daher ist die Luv- Seite meist abgeblasen und der Rücken auf dieser Seite oft schneefrei. Über der Lee- Seite bildet sich eine Wechte und darunter der Wechtenkeil. Dieser ist kann einige Meter dick werden und besteht aus windverfrachteten Schnee, also aus Triebschnee. Daher befindet sich unter der Wechte oft ein Schneebrett, welches den WintersportlerInnen zur Gefahr werden kann (vgl. Roggenhofer et al. S. 238; Hirnböck, 2008; S. 14; Durner, 2005, S. 13.)


Windzeichen



Windzeichen helfen, die Windrichtung zu erkennen (Durner, 2005, S. 13).

Wechte

Die Wechte hängt an der Lee- Seite, rechtes Bild: Der Wind kommt von links. (Roggenhofer et al. S. 229; Durner, 2005, S. 13.)












Anraum

Der Anraum wächst gegen die Windrichtung, linkes Bild: Der Wind kommt von rechts. (Roggenhofer et al. S. 229; Wallner, 2008, S. 194.)











Windgangeln




Winddünen
(Roggenhofer et al. S. 230; Wallner, 2008, S. 194; Wallner, 2008, S. 195)



Literaturverzeichnis

  • Durner, G. (2005). Lawinen know- how. Der Bergführer rät (2. Aufl.). Innsbruck: AM- Berg Verlag.

  • Hirnböck, M. (2008). Alpinkunde. Skriptum für den Alpinkurs der Schneesportlehrerausbildung. Snowsports Austria.

  • Mair, R., Nairz, P. (2010). Lawine. Die 10 entscheidenden Gefahrenmuster erkennen. Innsbruck: Tyrolia.

  • Munter, W. (2003). 3 x 3 Lawinen: Risikomanagement im Wintersport (3. Aufl.). Garmisch Partenkirchen: Pohl und Schellhammer.

  • Pfingstner, R., Apflauer, G., Thurner, H., Mayerhofer, H. (2007). Instruktor Skitouren. Skriptum.

  • Roggenhofer, R., Berger, R., Nendwich, M., Hackl, F., Pussnik, H., Hartweger, M., Rottensteiner, H.,Zimmermann, A., Frank, D. (2008). Das Skilehrerbuch. Snowsports Academy.

  • Wallner, W. (2008). Richtig Carven (1. Aufl.). Egoth Verlag.

Lawinen und Schneedeckenaufbau




1. Lawinenarten

Lawinen können anhand verschiedener äußerer Merkmale unterschieden werden. Munter (1997, S.36) unterscheidet nach der Form des Abrisses, der Lage der Gleitfläche, der Form der Bewegung, der Feuchtigkeit des abgleitenden Schnees, der Form und der Länge der Bahn und nach der Art des Schadens. Die in der Literatur am häufigsten verwendete Einteilung der Lawinen ist die nach der Form ihres Anrisses, in Schneebrettlawinen, deren Anriss linienförmig, scharfkantig und senkrecht zur Gleitfläche steht und in Lockerschneelawinen, der Anriss punktförmig ist eingeteilt werden. (Kurzeder, et al., 2002, S.28ff; Munter, 1997, S.36ff)













2. Lockerschnee- und Schneebrettlawinen



2.1 Lockerschneelawinen

Lockerschneelawinen entstehen an verhältnismäßig steilen Hängen, die eine Neigung von mindestens 39° aufweisen, meist während oder kurz nach Schneefall. Sie reißt an einem Punkt an und werden mit zunehmender Länge immer breiter. (vgl. Kurzeder et al., 2002, S.30) Diese Lawinenart ist sehr häufig, laut Unfallbericht aber für weniger als 1% der Lawinenopfer verantwortlich. Dies mag zum einen an der langsameren Entwicklung liegen, die noch Zeit für eine Flucht lässt, oder an der Offensichtlichkeit der Gefahr, wodurch die meisten Menschen die entsprechenden Hänge meiden. Unterschätzen sollte man sie aber auf keinen Fall, denn auch ein Mitgerissen werden in einer Lockerschneelawine ist lebensbedrohlich. Irreführend kann hier vielleicht auch der Begriff „Lockerschnee“ sein, der sich auf die Tatsache bezieht, dass sich diese Lawinenart stets aus dem lockeren Schnee an der Oberfläche bildet – speziell bei Nassschnee kann hierbei aber ein äußerst kompakter und harter Lawinenkegel entstehen, der alles andere als locker ist. Charakteristisch für Lockerschneelawinen ist auch eine mögliche Selbstauslösung, das heißt sie kann ohne menschliche Einwirkung auch weit oberhalb einer Gruppe losbrechen. (vgl. Engler, 2001, S.117ff) Die Gefahr für diese Lawinenart ist besonders hoch „während und nach Neuschneefällen, bei Sonneneinstrahlung und starker Temperaturerhöhung bei Tauwetter (...)“ (Engler, 2001, S.123)



Folgende Punkte fassen das Wissenswerte zu Lockerschneelawinen zusammen (nach Engler, 2001, S.124)

  • Lockerer Schnee an der Schneeoberfläche führt zur Auslösung
  • Die Auslösung geschieht punktförmig
  • Die benötigte Hangneigung beträgt mehr als 35°
  • Die Gefahr ist durch lockeren oder aufgeweichten Schnee deutlich zu erkennen
  • Auslösung durch Wächtenbruch, herabfallende Steine, Tiere, Menschen,Sonneneinstrahlung
  • Meistens kommt es zur Selbstauslösung
  • Am häufigsten bei Tauwetter, starker Sonneneinstrahlung und Neuschnee
  • Unfälle durch diese Lawinen sind statistisch in der Minderzahl
  • Am gefährlichsten sind nasse Lockerschneelawinen, die speziell bei Tauwetter auch größere Ausmaße erreichen
  • Kleinere Lockerschneelawinen waren schon öfter Ursache für tödliche Abstürze in felsigem Gelände


2.2 Schneebrettlawinen

Das Pendant zur Lockerschneelawine ist die Schneebrettlawine, deren Anriss im Unterschied zur erstgenannten scharfkantig und linienhaft. Schneebrettlawinen lösen sich meist in Hängen zwischen 30° und 50°. Sie sind für einen Großteil der Lawinenopfer verantwortlich was zum einen an dem Umstand liegt, dass sie bereits kurz nach der Auslösung ihre volle Kraft und Geschwindigkeit erreichen, was wiederum eine Flucht so gut wie unmöglich macht und zum anderen an der viel schwerer erkenn- und einschätzbaren Gefahr. (vgl. Kurzeder et al., 2002, S.32)


Um die Entstehung von Schneebrettlawinen besser zu verstehen, muss man einen Blick auf den Schichtenaufbau der Schneedecke werfen. Dies wird in weiterer Folge behandelt. Zuvor geht es jedoch darum Kenntnisse über die Untergrund- bzw. Geländebeschaffenheit zu gewinnen.

3. Exposition

Von der Hangexposition sind der Schneedeckenaufbau und die Schneebeschaffenheit an der Oberfläche abhängig. An Nord- und Südhängen können sehr unterschiedliche Bedingungen herrschen. Die Schneedecke setzt sich an Schattenhängen (Richtung NW-NO) nur sehr langsam. Es bilden sich hier auch meist ungünstige labile Zwischenschichten (Oberflächenreif und Schwimmschnee). Durch Triebschneeablagerungen kann der Schneedeckenaufbau problematisch sein. Südhänge haben hingegen durch die Wärme- und Sonneneinstrahlung häufig einen stabilen Schneedeckenaufbau. 30% der Lawinenunfälle ereignen sich in südexponierten, 70% auf nordexponierten Hängen. (vgl. Durner & Roömer 2003, S. 13)













4. Hangneigung

„Die Hangsteilheit ist als die Steilheit der steilsten Stelle eines Hanges definiert. Diese Steilheit muss über mehr als ca. 10-20 Höhenmeter erreicht werden. Als Hang ist die ganze Fläche anzunehmen, die als potentielles Schneebrett abgehen könnte, d.h. bis zur nächsten markanten Änderung der Geländeform (Grat, Kante, Rippe, Fläche usw.)“ (Wassermann & Wicky 2006, S.12)
Zwischen Hangneigung und Lawinenunfällen gibt es einen direkten Zusammenhang. 97% aller Lawinenunfälle passieren in Hängen die steiler als 30 Grad sind. (vgl. Durner & Römer 2003, S. 11) Schönes Schigelände ist zwischen 25° und 35°, Haänge über 40° sind sehr steil und werden wenig befahren. Je steiler ein Hang ist, umso größer ist die Gefahr, ungefähr 80% der Unfälle geschehen in Hängen steiler als 35%.



5. Gelände

Unterschiedliche Hang- und Geländeformen haben einen Einfluss auf den Aufbau der Schneedecke. Es gibt Hangformen die die Schneedecke stützen und die Gefahr eines Schneebrettabganges mindern. Lawinen fördernd sind Rinnen, Mulden und Geländestufen, Lawinenhemmend sine Rippen, Rücken und stark kupiertes Gelände. (vgl. Durner & Römer 2003, S. 12)


6. Temperatur und Strahlung

Wärmeeinflussfaktoren wie Lufttemperatur, Regen und Sonneneinstrahlung haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Stabilität der Schneedecke.

Langsame und moderate Wärmeeinwirkung: Wirkt sich positiv auf die Schneedecke aus. Die Bindung zwischen den Schichten wird gefestigt, die Schneedecke festigt sich. Ideal ist eine Erwärmung bei Tag und eine Abkühlung (gefrieren) bei Nacht.

Hohe Temperaturen und starke Tageserwärmung: Föhn, Tauwetter oder Regen destabilisieren die Schneedecke, die Festigkeit nimmt ab. Wird die Schneedecke bis zum Boden durchfeuchtet, kann diese als Grundlawine abrutschen.

Langandauerndes Strahlungswetter: Während langen Schönwetterperioden verharscht die Oberfläche der Altschneedecke. Der Neuschnee verbindet sich schlecht mit dem „alten Harschdeckel“ wodurch Gleitschichten für Lawinen entstehen.

Langandauernde tiefe Temperaturen: Bei tiefen Temperaturen setzt sich die Schneedecke nur sehr langsam. Kälte verzögert die Bindung der unterschiedlichen Schneeschichten innerhalb der Schneedecke. Längere Kälteperioden bergen neue Gefahren, da Schwimmschnee oder Oberflächenreif gebildet werden. (vgl. Durner & Römer 2003, S.10)


7. Schichtaufbau

Wie bereits vorhin angeführt, kommt es bei der Lawinenbildung auf eine Reihe unterschiedlicher Faktoren an. Neben, Temperatur, Geländebeschaffenheit und Wind, ist ein weiterer wichtiger Faktor der Aufbau der Schneedecke.

Die Schneedecke besteht aus Schichten, welche durch verschiedene Schneefall- oder Schönwetterperioden gebildet werden. Sie entwickelt sich während des ganzen Winters. So kann es sein, dass der erste Schnee vom Herbst am Boden liegt , der Neuschnee der letzten Nacht obendrauf, während dazwischen verschiedenste Schneemengen des restlichen Winters verpackt sind. Durch das Wetter und Umwandlungs-Prozesse verändert sich der Schnee laufend. Ob der Schneedeckenaufbau günstig oder ungünstig ist, ist jedoch essentiell für die Lawinenbildung.

Viele Lawinen brechen in weichen und grobkörnigen Schichten los. Dies vor allem, wenn dieser lockere Schnee an harte Schichten grenzt. Deutlich unterschiedliche Schichten im oberen Meter der Schneedecke sind klare Hinweise auf mögliche, kritische Schwachstellen. Einfache Stocktests oder das Einsinken mit und auch ohne Ski oder Board können gute Eindrücke über die Beschaffenheit der oberen Schichten der Schneedecke liefern. Ab und zu ein einfaches Schneeprofil an einer eher schneearmen Stelle bis rund einen Meter Tiefe hilft, die wichtigsten Kriterien für eine schwache Schneedecke zu überprüfen. Diese spürt (Härte) und sieht (Korngröße) man häufig ohne Lupe. (vgl. slf.ch)


7.1 Mächtige und ähnliche Schichten

Mächtige Schichten und ähnliche Schichten sind günstig. Schwachschichten (s. Ausführung unten) mit darüber liegenden brettartigem Schnee fehlen weitgehend. Der Schneedeckenaufbau ist einer Quarktorte ähnlich (rechtes Bild).











7.2 Dünne und unterschiedliche Schichten

Dünne und unterschiedliche Schichten erweisen sich als eher ungünstig. Eine Schneedecke mit deutlich unterschiedlichen Schichten gleicht einer Crémeschnitte, bei der die verschiedenen Schichten leicht und deutlich voneinander zu trennen sind.
Als deutliche Unterschiede bezeichnet man:

  • Korngößenunterschied von mehr als 1 mm
  • Härteunterschied von mind. 2 Härtestufen (z.B. „Faust“ - „Finger“)










8. Schwachschichten

Bei einem Lawinenabgang kommt es in der Schneedecke zu einem Bruch, welcher in der Regel entlang einer Schichtgrenze stattfindet. Schwache Schichtgrenzen lassen sich häufig dort auffinden, wo in Bezug auf Kornform und Korngröße sehr unterschiedliche Schichten aufeinander liegen. Eine der beiden, an die schwache Schichtgrenze anliegenden Schichten (oben oder unten), wird oft als die Schwachschicht bezeichnet. Schwachschichten können sowohl dünn und damit kaum erkennbar, aber auch mehrere 10 cm mächtig sein. Sie bestehen meist aus grobkörnigem, weichem Schnee.


Bildung von Schwachschichten

  • Ablagerung von Oberflächenreif (und danach Einschneien)
  • Aufbauende Umwandlung an der Schneeoberfläche bei intensiver Abstrahlung (unddanach Einschneien). Dies ist beispielsweise die typischste Schwachschichtbildung in den Schweizer Alpen.
  • Aufbauende Umwandlung im Bereich von (u.U. feuchten) Krusten. Krusten selbst sind keine Schwachschichten, aber unmittelbar oberhalb oder unterhalb kann es zur Schwachschichtbildung kommen, so dass dort eine meist dünne Schicht aus kantigen Formen entsteht.
  • Aufbauende Umwandlung der gesamten, noch wenig mächtigen Schneedecke. Einmal überschneit bildet eine derartige eher dicke Schwachschicht ein Schwimmschneefundament.

Die systematische Schneedeckendiagnose (nach Georg Kronthaler):

Die ‚systematische Schneedeckendiagnose‘ wurde im Jahre 1999 von Georg Kronthaler eingeführt und wird seither an Ausbildungskursen gelehrt. Diese lässt sich grob in drei Teilbereiche untergliedern:

Vereinfachtes Schneeprofil / Kleiner Blocktest

Prinzipiell wird unter einem vereinfachtem Schneeprofil die gezielte Suche nach Schwachschichten verstanden. Kronthaler und Zenke (2006, S. 58) meinen dazu: „Kernstück ist dabei einca. 40 x 40 cm großer Block, der frei gelegt wird und durch leichtes Klopfen mit der Lawinenschaufel von oben nach unten überprüft wird, ob er Schwachschichten erkennen lässt.“

Analyse der Schwachschicht:

Die Analyse der Schwachschicht richtet sich vor allem an die Kornform und die Bindungsverhältnisse. Die Begutachtung der Schneekristalle muss nicht sehr detailliert erfolgen und kann auch ohne technische Hilfsmittel (z.B. Lupe) stattfinden. Kronthaler und Zenke (2006, S. 59) meinen, dass es wertvoll zu beobachten ist „ob die Kristalle besonders groß sind oder ob sich Zeichen von starker Durchnässung und damit verbundenen Bindungsverlusten finden lassen“.

Die Bewertung der Schwachschicht:

Die Bewertung beruht auf den Vergleich des Ist-Zustandes der Schneedecke oder der vorhandenen Schwachschichten mit den vier ungünstigen Eigenschaften von Schwachschichten. Dies lauten folgendermaßen:

  • Die Schwachschicht bricht leicht
  • Die Schwachschicht ist dünn
  • Die Schwachschicht liegt bis zu einem Meter unter der Schneeoberfläche
  • Die überlagernde Schicht ist weich






9. Literatur

  • Durner, G. & Römer A. (2003). Lawinen know-how. Innsbruck: Am-Berg Verlag.
  • Kronthaler, G., & Zenke, B. (2006). Schneedecken Diagnose...zur Beurteilung der Lawinengefahr. Bergundsteigen, 4, 2006, S. 56-64.
  • Kurzeder, T., Feist, H., Reimann, P., Oster, P. (2002). Powder Guide. Lawinen. Risiko_Check für Freerider. (2 Aufl.). Innsbruck: Tyrolia
  • Munter, W. (1997). 3*3 Lawinen. Entscheiden in kritischen Situationen. Gamisch- Patenkirchen: Agentur Pohl&Schellhammer
  • Engler, M. (2001). Die weiße Gefahr. Schnee und Lawinen. Erfahrungen, Mechanismen, Risikomanagement. Kempten: Kösel
  • Wassermann E. & Wicky M. (2006). Lawinen und Risikomanagement. Für Touren mit Ski, Snowboard oder Schneeschuhen. Worb: Bergpunkt AG.
  • Institut für Schnee und Lawinenforschung (2012). Zugriff am 24.12.2012 unter http://www.slf.ch/praevention/ueberlawinen/lawinenbildung/schneedecke/index_DE